zurück zur Startseite

4. Modelle zum elektrischen Stromkreis

4.1. Steifer Ring und Stromkreis

Zur Verdeutlichung der Vorgänge in einem elektrischen Stromkreis bietet sich der Vergleich mit einem mechanischen, steifen Ring an, der von einem Motor an einer Stelle angetrieben und von einer Bremse an einer anderen Stelle in seiner Bewegung behindert wird.

Abb.8.: Mechanisches Modell für den elektrischen Stromkreis

Die Bezeichnung “steif” darf nicht in einem absoluten Sinne verstanden werden. Jeder reale Körper zeigt unter der Einwirkung einer Kraft ein elastisches Verhalten, und wäre es auch noch so gering.

4.2. Unterschiede zwischen Hin- und Rückleitung

Wie schon erwähnt gibt es in der Realität keine absolut steifen Körper, sondern nur Körper, die mehr oder weniger elastisch sind. Das gilt für Flüssigkeiten wie Wasser genau so wie für Festkörper, z.B. Stahl oder Gummi. Nur ist das Ausmaß dieser Elastizität verschieden.

Wegen dieser Elastizität werden bei einem steifen Ring, der zur Kraftübertragung eingesetzt wird, die beiden Anteile, die gedrückte Seite vor dem Widerstand und die gezogene dahinter, ein wenig unterschiedlich verformt.

Abb.9: Elastische Verformung eines steifen Ringes

Die gedrückte Seite ist etwas gestaucht, die gezogene Seite ist etwas gedehnt. Diese unterschiedliche Verformung, die durch den antreibenden Motor aufrechterhalten wird, erzeugt am Widerstand die notwendigen Kräfte, um die Bewegung durch den Widerstand aufrecht zu erhalten.
Das Material des steifen Ringes entspannt sich also im Widerstand von einem gestauchten zu einem gedehnten Zustand. Diese Dichteänderung ist zwar nur sehr klein im Verhältnis zu der sich bewegenden Materie, ist aber prinzipiell stets vorhanden. Für ein tieferes Verständnis der Kraftübertragung, besonders im Vergleich mit dem elektrischen Stromkreis, ist das Wissen um die Verformungen eines steifen Ringes aber sehr hilfreich, wenn nicht notwendig.

4.3. Vergleich von Modell und Stromkreis

Die ähnlichkeiten zwischen dem elektrischen Stromkreis und dem steifen Ring mit Antrieb und Bremse lassen sich wie folgt beschreiben
Steifer RingElektrischer Stromkreis
Der steife Ring dient zur übertragung einer Kraft. Der elektrische Strom dient der Kraftübertragung.
Materie bewegt sich im Kreis. Elektronen bewegen sich im Kreis.
Materie wird nicht verbraucht. Elektrischer Strom wird nicht verbraucht.
Der steife Ring wird durch den Motor auf der einen Seite geschoben auf der anderen Seite gezogen. Die freien Elektronen in den Leitern kann man auch als eine Art "Elektronengas" bezeichnen. Dieses "Elektronengas" wird durch die Kraft der Spannungsquelle auf der einen Seite geschoben, auf der anderen Seite gezogen.
Durch den Motor wird der steife Ring etwas elastisch gestaucht bzw. gedehnt, d.h. seine Dichte wird etwas verändert. Durch die Kraft der Spannungsquelle wird das "Elektronengas" etwas gestaucht bzw. gedehnt. Dadurch wird die Dichte der Elektronen auf den Oberflächen der Leiter sowie vor und hinter den Widerständen verändert.
Beim Durchgang durch eine Behinderung - eine Bremse - wird die Antriebskraft des Motors umgesetzt in eine Änderung der Dichte des Ringes, die ihrerseits als lokale Ursache für den Durchgang angesehen werden kann. Beim Durchfließen eines Widerstandes wird die Antriebskraft der Spannungsquelle umgesetzt in unterschiedliche Ladungsdichten vor und hinter dem Widerstand, die ihrerseits als lokale Ursache für den Durchgang durch den Widerstand angesehen werden können.
Der wesentliche, strukturelle Unterschied zwischen dem steifen Ring und dem Stromkreis besteht in der Tatsache, daß sich die Dichte von Materie unter Krafteinwirkung insgesamt, also über den ganzen Querschnitt verändert.
Bei einem elektrischen Strom hingegen kann nur die Dichte der Elektronen auf der Oberfläche von Leitern verändert werden. Im Innern ist ein metallischer Leiter stets neutral.
Hinzu kommt natürlich der Unterschied hinsichtlich der praktischen Verwendbarkeit. Der steife Ring ist weitgehend unflexibel und findet daher in der Technik keine Verwendung. Die etwas flexiblere Variante in Form eines Treibriemens oder einer Kette, wie z.B. bei dem Fahrrad ist dagegen häufiger anzutreffen.
Diese Systeme eignen sich jedoch nur bedingt als Modell für den elektrischen Stromkreis, weil hier die Antriebskraft nur als Zug aufgebracht werden kann. Es fehlen die Druckkräfte und damit fehlt die Analogie zur Symmetrie der Coulombkraft.

4.4. Bedingt geeignete Modelle zum elektrischen Stromkreis

Im Vergleich zu dem steifen Ring, der Kette oder dem Treibriemen sind andere Kreissysteme wie Warmwasserkreislauf, Blutkreislauf oder Transportbänder deutlich ungeeigneter als Modell für den elektrischen Stromkreis.

Abb.10: Kreissysteme, in denen energiereiche Materie transportiert wird.
Nur bedingt geeignet als Modell für den elektrischen Stromkreis

In diesen Systemen wird keine Kraft sondern im wesentlichen energiereiche Materie übertragen. Die Energieübertragung ist somit an die Fließgeschwindigkeit des übertragunsmediums gebunden. Im elektrischen Stromkreis dagegen driften die Elektronen mit relativ geringer Geschwindigkeit, während sich die Wirkung des elektrischen Stromes mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ausbreitet.

4.5. Problematische Modelle zum elektrischen Stromkreis

Problematisch erscheinen Kreissysteme als Modell für den elektrischen Stromkreis, in denen die einzelnen Komponenten einen eigenen Antrieb besitzen, wie zum Beispiel Lastwagen, die voll beladen von der Beladungsstation zum Zielpunkt fahren und dann leer zurückkehren.

Abb. 11.:Lastwagen auf der Autobahn als problematisches Modell
für den elektrischen Stromkreis

Im Gegensatz hierzu besitzen Elektronen keinen eigenen Antrieb, sondern werden durch eine äußere Spannungsquelle angetrieben. Kein Elektron kann z.B. allein anhalten oder langsamer werden, wenn es irgendwo im Stromkreis auf eine Behinderung trifft, ohne daß alle Elektronen im Stromkreis entsprechend beeinflußt werden. Bei einem Stau auf der Autobahn bleiben jedoch nur die Wagen vor dem Stau stehen. Die Wagen dahinter und auf der Gegenfahrbahn bleiben unbehindert.
Das folgende Beispiel aus einem amerikanischen Lehrbuch zeigt, daß solche überlegungen nicht selbstverständlich sind.

Abb.12.:Problematisches Modell für den elektrischen Stromkreis

Auch hier wird angenommen, daß sich Elektronen auf Grund eines eigenen Antriebs im Kreis bewegen und dabei Energie von der Batterie zum Motor transportieren. Viele Fragen bleiben offen.
  • Warum bleiben alle Elektronen stehen, wenn ein einzelnes Elektron behindert wird?
  • Was geschieht, wenn ein zweiter Motor seriell hinzugeschaltet wird?
Dieses Modell vernachlässigt als eine wesentliche Eigenschaft des elektrischen Stromkreises den Zusammenhang zwischen den Elektronen, durch den erst der Stromkreis als System gebildet wird.


zurück zur Startseite